Warum Prävention scheinbar nichts kosten darf – und warum Lebensmittel wie Keimsprossen brav den Mund halten müssen
Vielleicht wird die Politik eines Tages erkennen, dass Prävention nicht erst im Wartezimmer beginnt. Oder anders gesagt: Man sollte sich nicht wundern, dass Krankheiten explodieren, wenn…
- Ärzte während ihrer gesamten Ausbildung weniger über Ernährung lernen als ein durchschnittlicher Foodblogger
- Forschungsgelder lieber in teure Hightech-Lösungen fließen als in einfache, alltägliche Werkzeuge
- Krankenhäuser an komplexen Behandlungen mehr verdienen als an gesunden Menschen
- Prävention „nichts kosten“ darf – Operationen aber plötzlich unbegrenzte Budgets erhalten
Und genau hier wird es kurios.
Denn ausgerechnet die Lebensmittel, die jeder Mensch täglich essen kann, die günstig sind, sich spielerisch in jeden Alltag integrieren lassen und deren Bedeutung für eine ausgewogene Ernährung völlig unbestritten ist – dürfen offiziell kaum etwas sagen.
Sie müssen still sein. Absolut still.
Währenddessen stapfen künstliche Produkte mit gigantischem Marketingbudget über die Bildschirme – oft basierend auf denselben pflanzlichen Substanzen, die man in Lebensmitteln längst kennt. Nur mit dem kleinen Unterschied, dass man sie patentieren, isolieren, verpacken und teuer abrechnen kann.
Und genau an dieser Stelle kommt ein Begriff ins Spiel, von dem die wenigsten je gehört haben, der aber unseren Ernährungsalltag stärker beeinflusst als jede Diät: die Health-Claims-Verordnung.
Die Health-Claims-Verordnung – kurz erklärt, ohne Jurastudium
Damit es nicht klingt wie ein Paragrafendschungel, hier die Kurzfassung für Menschen ohne Jurastudium:
1. Was sind Health Claims?
Health Claims sind gesundheitsbezogene Aussagen zu Lebensmitteln.
Also alles, was klingt wie: „unterstützt… hilft… stärkt… schützt… tut gut…“
Wenn es vage nach einer Wirkung riecht → zack, Health Claim.
Solche Aussagen sind nur erlaubt, wenn sie wissenschaftlich geprüft und offiziell zugelassen wurden. Für natürliche Lebensmittel gibt es solche Zulassungen eigentlich nur für eine überschaubare Liste von Vitaminen und Mineralstoffen. Beispiele:
Vitamin C
- trägt zu einer normalen Funktion des Immunsystems bei.
- trägt zur Verringerung von Müdigkeit und Ermüdung bei.
- trägt dazu bei, die Zellen vor oxidativem Stress zu schützen.
Magnesium
- trägt zu einer normalen Muskelfunktion bei.
- trägt zur normalen Funktion des Nervensystems bei.
- trägt zur Verringerung von Müdigkeit bei.
Für sekundäre Pflanzenstoffe hingegen gibt es keine zugelassenen Health Claims.
Mit einer winzigen Ausnahme:
Olivenpolyphenole
Ab mind. 5 mg Hydroxytyrosol (und Derivaten) pro 20 g Olivenöl:
„Olivenölpolyphenole tragen dazu bei, die Blutfette vor oxidativem Stress zu schützen.“
Und sonst? Nichts.
Warum gibt es keine weiteren Health Claims für sekundäre Pflanzenstoffe?
- Sie sind nicht standardisierbar.
Der Gehalt schwankt je nach Sorte, Region, Erntezeit, Lagerung, Keimdauer. - Sie wirken im Verbund, nicht als Einzelstoff.
Health Claims verlangen aber einen klar definierten Einzelstoff. - Zulassungsstudien sind extrem teuer.
Niemand finanziert sie für Brokkoli, Kresse oder andere Keimsprossen – denn Pflanzenstoffe sind nicht patentierbar. - Viele eingereichte Claims wurden abgelehnt.
Nicht wegen schlechter Forschung, sondern weil die EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) nahezu medizinische Beweisstandards erwartet.
Die Konsequenz:
Man darf bei Keimsprossen zwar auf sekundäre Pflanzenstoffe hinweisen,
aber danach sollte man am besten schweigen. Keine Wirkung, keine Mechanismen, keine Interpretationen.
Als kleine Notlösung greifen manche Anbieter dann zu den wenigen erlaubten Claims für Vitamine und Mineralstoffe – obwohl diese bei den typischen Sprossen-Portionsgrößen in der Praxis nur einen sehr kleinen Beitrag zum Tagesbedarf leisten.
Doch Moment!
Habe ich nicht im Buchladen gelesen, wie gesund Sulforaphan ist und dass es möglicherweise sogar Krebs hemmen kann?
Ja – und hier kommt die nächste rechtliche Kuriosität:
Bücher dürfen viel mehr sagen als Shops.
Schreibst du ein E-Book oder ein Sachbuch, bist du weitgehend frei.
Die Health-Claims-Verordnung betrifft hauptsächlich Anbieter, die Lebensmittel verkaufen.
Darum lagern viele Shops ihre Hintergrundinformationen in Blogartikel aus –
noch sicherer ist es jedoch, ein eigenes Buch zu schreiben,
ohne direkte Verbindung zum eigenen Produktsortiment.
Und ob du es glaubst oder nicht:
Genau so ein Buch schreibe ich gerade.
Über sekundäre Pflanzenstoffe.
Und über den Körper.
Und über das Altern.
Und über die Entstehung von Alterskrankheiten.
Ist das viel zu komplex?
Oh ja. Es fühlt sich an wie ein mehrjähriges Studium.
Aber – wie ich in meinem „Über mich“ schreibe – ich habe nun einmal diesen Hang, Dingen auf den Grund zu gehen.
Bis zur Veröffentlichung gilt: Das Internet ist groß.
Google die Stoffe, die du nicht kennst. Frag nach, wenn du neugierig bist.
Und ich selbst sage – ganz gesetzestreu – nur das, was erlaubt ist.
Nämlich, dass meine Keimsprossen:
- zu dem frischesten Gemüse gehören, die du überhaupt bekommen kannst,
- spielerisch Vielfalt in deine Mahlzeiten bringen und perfekt zu „5 am Tag“ passen,
- dein Budget schonen,
- deine Küche verschönern und deinen Kühlschrank entlasten.
Alles andere?
Das behüten die Keimsprossen wie kleine Klosternonnen: still, bescheiden, pflichtbewusst – und erstaunlich gut darin, nicht mehr zu verraten, als sie dürfen.
Und während sie so schweigend Gutes tun und das Potential zu Grossem haben, lasse ich dich den wichtigsten Teil selbst entdecken: durch Probieren.
Ohne Versprechen, ohne Zauberei, ohne verbotene Flüsterwörter.